Vor über einhundert Jahren wurde die Mur in Graz reguliert, um den Hochwasserschutz für die wachsende Stadt zu verbessern. Trotz dieser Regulierung hat der Fluss nun ein neues Bett gefunden. Sowohl Ufer als auch das Flussbett sind in einem naturnahen Zustand und bieten unzähligen Lebewesen einen Lebensraum. Das schnell fließende Wasser wird mit Sauerstoff angereichert und ist essenziell für die dort vorherrschende Flora und Fauna. Zusätzlich entsteht durch das Fließen das Flusses eine starke Selbstreinigungskraft des Wassers.
Durch den Bau einer Staustufe wird vor allem der Sedimenthaushalt radikal verändert – der Flussboden durch die fehlende Fließkraft zunehmend verschlammt und 70-80% der Bodenfauna (Kleinstlebewesen wie Steinfliegen, Eintagsfliegen…) würden aussterben.
Da der Stauraum rund einmal pro Jahr bei Hochwasser gespült werden müsste, entsteht eine Art Spülbecken mitten in der Stadt. Das Wasser wird zuerst gestaut und mit dem Öffnen der Wehrkappen plötzlich schwallartig ausgespült. Solche Bedingungen lassen auch den übrigen wassergebunden Arten nur wenig Chance zu überleben.
Die Mur in Graz und Umgebung hat eine erstaunlich hohe Biodiversität für ein Urbanraum. Die Nahrungsgrundlage für größere Tierarten bildet dabei eine Vielzahl an Unterwasserpflanzen und Algen sowie Makrozoobenthischen Tieren (z.B. Insekten und Krebstiere). Gleich in der Stadt findet man an der Mur beispielsweise zahlreiche Steinfliegen, Eintagsfliegen und Köcherfliegen, die eine Nahrungsquelle für Fische, Vögel, und Fledermäuse bilden.
Eintagsfliege (Foto: Gernot Kunz) |
Steinfliege (Foto: Gernot Kunz) |
Der Huchen (Hucho Hucho) wird aufgrund seiner imposanten Größe von bis zu 1,5 m auch der „König der Mur“ genannt. Durch Kraftwerksbauten und Regulierungsmaßnahmen wurde er allerdings in Österreich sehr selten. Neben dem Huchen finden Bachforellen, Äschen, und Barben sowie der gefährdete Strömer in der Mur ihren Lebensraum – insgesamt über 20 Fischarten werden hier regelmäßig dokumentiert.
Zu den von der EU nach Anhang IV geschützten Tierarten zählen die Würfelnatter und Schlingnatter. Vor allem die Würfelnatter ist gegenüber Wasserskraftbauten sehr empfindlich, da sie seichtes fließendes Wasser nützt, um kleine Fische zu erbeuten.
Neben den geschützen Schlangen leben auch mehrere Fledermaus-Arten in der Ufergehölzstreifen, die ebenfalls nach Anhang IV streng geschützt sind. Für diese Arten gilt grundsätzlich ein Fang- und Tötungsverbot. Ihr Lebensraum darf laut Gesetz nicht nachhaltig beeinträchtigt werden.
Würfelnatter (Foto: Laura Pabst) |
Huchen (Foto: Johannes Gepp) |
Über 50 verschiedene Vogelarten leben an der Mur und finden dort optimale Brutplätze und Futter vor. Auch seltene Arten wie die Wasseramsel, der Eisvogel oder der Baumfalke siedeln sich hier an und können an der Mur im Großraum Graz beobachtet werden.
Im Süden - in Puntigam und Liebenau - beginnen die nördlichen Ausläufer der Murauen. Ein schmaler Auwald säumt hier beide Murufer. Die Bäume in diesem Bereich sind teilweise bis zu hundert Jahre alt. Auch weiter in der Innenstadt finden sich jahrzehnetealte Bäume, die nicht nur kühlen Schatten spenden, sondern auch Frischluftlieferanten sind und Tieren einen Lebensraum bieten.
Der Baumbewuchs entlang der Murufer bildet für Tiere außerdem einen Gründkorridor, durch den sie die Stadt durchwandern können. Auch seltene Baumarten und Vertreter der sogenannten Harten und Weichen Au sind in Graz zu finden:
Zu den Arten der Harten Au zählen Ulme, Esche und die Traubenkirsche, die im Frühjahr duftende weiße Blütentrauben trägt. (Sommer-)Linde, Spitzahorn und Vogelkirsche kommen ebenfalls häufig vor, daneben auch Pflaumenwildlinge und Apfelbäume. Der Ufergehölzstreifen wird vorwiegend von schmalblättrigen Weidenbäumen (Silberweide, Bruchweide) gebildet; strauchartige Weidenpioniere sind die Purpur- und Salweide. Ihre Blütenkätzchen („Palmkätzchen“) erscheinen vor den Laubblättern und bieten Insekten schon zeitig im Frühjahr Nahrung in Form von Nektar und Pollen an. Die Weidenbäume werden von hohen Schwarzpappeln überragt.
Zwischen den dicken Baumstämmen bildet sich ein dichter Unterwuchs. Pfaffenhütchen, Schwarzer Holunder und Kletterpflanzen bedecken den Waldboden und bieten Tieren ideale Versteckmöglichkeiten. Efeu klettert mit Haftwurzeln in die Höhe.
Esche |
Eiche |
Kirschblüten |
Diese Vielfalt würde beim Bau einer Staustufe zerstört. Ein Großteil müsste während der Bauarbeiten gerodert werden. Die Betonmauern, die im Zuge des Dammbaus an den Seiten der Mur aufgezogen werden sollen, verhindern auch in späterer Folge das Zusammenspiel von Uferwald und Fluss. Neue Bäume können auf den Dämmen nur begrenzt wachsen - ab einer Stammdicke von 15 cm Durchmesser müssten sie wieder gefällt werden, weil sonst die Wurzeln der Konstruktion gefährlich werden könnten.
Die Bäume, die nicht sofort gefällt werden, stehen durch den Stau permanent im Wasser, werden mit der Zeit faulen und müssen dann notgefällt werden.
Hier gibt es aktuelle Informationen über die Situation an der Baustelle. Wir halten euch über die Aktivitäten vor Ort am Laufenden:
Das Projekt "Mur findet Stadt" ist eine Jahrhunderchance für Graz. Freizeit- und Naturraum würden dadurch verbunden, der Mur Raum zurück gegeben und eine neue Verbindung zwischen den GrazerInnen und dem frei fließenden Fluss geschaffen.
Lustige und informative Videos rund um die Mur auf unserem YouTube-Channel.